Wie ich bereits auf meiner Facebookseite "Meine Knochenmarkspende" angekündigt hatte, waren meine Tochter und
ich durch Indias Familie nach Wales eingeladen worden, um dort ein langes
Wochenende zu verbringen und dabei insbesondere Indias 5. Geburtstag zu feiern.
So also starteten wir unsere Reise am Freitag, dem 21. Oktober 2016, vom
Flughafen Hannover aus, über Amsterdam nach Cardiff.
Schon die Reise dorthin war für mich sehr aufregend. Es sind
viele Gedanken, die einem durch den Kopf gehen. Wie wird das erste
Zusammentreffen sein? Wird man sich umarmen? Gibt es Schwierigkeiten bei der
Verständigung?
Beim Eintreffen in Cardiff dann war die Aufregung auf dem
Höhepunkt.
Als wir in die Flughafenhalle kamen, schrie ein kleines
Mädchen mit einer Rose in der Hand laut „Sindy!!!“ und rannte mir entgegen.
India!!!
Sie sprang mir sofort auf den Arm und schlang ihre kleinen
Arme um meinen Hals. Ich drückte sie fest an mich und mir kamen natürlich
gleich die Tränen. Auch jetzt, wo ich diesen Augenblick noch einmal Revue
passieren lasse, sind die Emotionen wieder da.
Dann begrüßten uns Indias Eltern, Shelley und Ryan, Shelleys
Eltern, Carmen und Paul und Indias Schwester Leonie ganz ganz herzlich. Es war
ein sehr emotionales erstes Aufeinandertreffen.
Das sollte nicht der letzte emotionale Augenblick dieses Wochenendes
werden, aber dazu später mehr.
Nun wurden wir samt Gepäck ins Auto verfrachtet und wir
fuhren in die Innenstadt von Cardiff, wo wir unsere erste Nacht im Holiday Inn
verbringen sollten.
Im Hotel wurde schnell der Koffer abgegeben und dann begaben
wir uns zusammen zu Fuß am Cardiff Castle vorbei in die Einkaufsstraßen.
Meine anfängliche Scheu wegen der möglichen Sprachbarrieren
lösten sich immer mehr in Luft auf. Man verstand mich und ich verstand auch
nahezu alles, wenn es langsam und ohne den starken Waliser Dialekt gesprochen
wurde.
Der erste Stopp war ein Café, in dem wir gemütlich beisammen
saßen und einen Kaffee tranken. Danach wurde Nora liebevoll in einen Laden
namens „Build-a-bear“ eingeladen. Dort durfte sie sich ein Kuscheltier aussuchen.
Dieses wurde vor Ort befüllt. Vorher wurde eine kleine Sprachmemo dort
eingebracht, auf die India „I love you, Sindy and Nora“ sprach. So können wir
beim Drücken auf den Kuschel-Hasen jetzt immer ihre Stimme hören. Natürlich
wurde der Hase nun auch noch eingekleidet (Hochzeitsoutfit, Party-Outfits,
Pumps usw.). Meine Tochter war begeistert. Auch India hatte sich ein Häschen
ausgesucht, dem wir mit der Sprach-Memo „Love you, India. Kisses from Sindy and
Nora“ Leben einhauchten.
Danach ging es dann zum Mittagessen in ein leckeres
Steakrestaurant. Dort kamen noch Leon, Shelleys Bruder, und seine Frau Jo dazu.
Auch von diesen wurden wir umarmt und geknuddelt.
In der gesamten Zeit trug Carmen eine kleine Kiste bei sich,
die mir nun überreicht wurde.
Darin waren Geschenke für mich und Nora.
Für jeden ein Shirt der Fußballmannschaft von Cardiff, ein
Herz aus Schiefer mit einem tollen Spruch und einer persönlichen Widmung von
India und etwas ganz Besonderes: Eine Halskette mit einem Herz-Anhänger, auf
dem Indias Fingerabdruck ist.
Ich war überwältigt und natürlich kamen mir wieder die
Tränen.
Nachdem wir dann lecker gegessen hatten und gerade gehen
wollten, stellte sich heraus, dass die junge Frau, die uns bedient hatte, genau
die gleiche Diagnose hatte, die auch India hatte. Sie hatte ebenfalls einen
Spender in Deutschland gefunden. Das war echt verrückt. Eine so seltene
Erkrankung und dann trifft man noch jemanden durch Zufall in einem Restaurant.
Sie war ganz gerührt, als Paul ihr erzählte, wer ich war. Und auch wir alle
konnten kaum glauben, diese junge Frau dort getroffen zu haben.
Da es jetzt schon Nachmittag war und man mir und Nora eine
Verschnaufpause gönnen wollte, wurden wir zum Hotel gebracht. India und ihre
Familie verabschiedeten sich und erklärten mir, dass wir am Samstag von
Shelleys Tante Della abgeholt werden, die uns zu Carmen nach Hause und dann zu
Indias Geburtstagsparty bringen würde.
Ich nutzte schnell noch die Gelegenheit, meine Mitbringsel
an den Mann bzw. die Frau zu bringen.
Nora und ich verbachten dann noch ein paar Stündchen im
Hotel, gingen ein bisschen in Cardiff bummeln und später dann ins Bett, um für
den nächsten Tag ausgeruht zu sein.
Samstagmittag holte uns Della ab. Es war eine sehr herzliche
Begrüßung. Ihre Tochter saß schon im Auto und freute sich auf Nora.
Wir fuhren etwa 45 Minuten bis zu Carmen nach Hause. Dort
warteten schon India, ihre beiden Cousinen und deren Eltern Jo und Leon auf
uns. Carmen und Paul waren mit Shelley und Ryan in der Party-Location und
bereiteten alles vor.
Wir gaben India ihr Geburtstagsgeschenk, das wir extra in
Deutschland anfertigen ließen: ein Armband mit einem Puzzle-Anhänger mit den
Worten „4ever connected“ eingraviert. Das gleiche Armband trage auch ich – als
Zeichen unserer Verbundenheit.
Von Carmen erhielt ich ein Bild von meiner und Indias
Willkommensumarmung in einem tollen Rahmen.
Wieder ein sehr emotionaler Moment. Ich ahnte ja nicht, was
noch auf mich zukommen würde.
Die Mädels warfen sich nun in ihre Party-Outfits und los
ging’s.
Ich war so schrecklich nervös.
Als wir ankamen, waren dort so viele Leute. Alle kamen zu
mir, drückten mich, bedankten sich. Es war überwältigend und extrem emotional.
Ich weiß nicht, wie oft ich an diesem Tag das Wort Danke gehört habe. Das war
das Einzige, was mir ein wenig Unwohlsein bereitete. Dieses Bedanken für etwas,
was für mich eine Selbstverständlichkeit war. Natürlich kann ich
nachvollziehen, dass es für India und ihre Familie, ihre Freunde etwas
Großartiges war bzw. ist, aber für mich selbst war die Spende doch nur ein
kleiner Klacks im Gegensatz zu dem, was sie alle durchgemacht hatten.
Die Party war einfach wundervoll und auch Nora hat sofort
Freunde gefunden und ihren Spaß gehabt.
Am Ende der Party kamen plötzlich Shelleys beste Freundinnen
zu mir und bedankten sich für meine Spende und dafür, dass es dank mir
überhaupt möglich war, diesen 5. Geburtstag von India zu feiern.
Sie übergaben mir Geschenke, einen Armreif mit der Gravur
„Heart of gold“ und ein tolles Bild aus Scrabble-Steinen. Die Worte und die
Geschenke brachten mich erneut zum Weinen. Man weiß gar nicht, wie man auf
diese Dankbarkeit reagieren soll. Es lassen sich dafür einfach keine Worte
finden.
Den späten Abend verbrachten wir alle (Carmen, Paul,
Shelley, Ryan, India und wir zwei) gemeinsam bei Carmen und Paul zuhause.
Am nächsten Morgen starteten wir alle gemeinsam nach einem
englischen Frühstück in Richtung Port Talbot. Wir verbrachten eine Weile am
Strand und gingen dann zum Dinner in ein Restaurant. Nach dem Essen waren wir
noch ein wenig bummeln und sind dann zurück nach Hause zu Carmen und Paul
gefahren.
Gemütlich ist der Abend ausgeklungen, mit dem Wissen, leider
am nächsten Morgen schon Goodbye sagen zu müssen.
India schlief auch bei ihrer Oma Carmen, so dass Nora und
sie (sie sind nun dicke Freunde) noch ein wenig mehr Zeit miteinander
verbringen konnten.
Am Montagmorgen war frühes Aufstehen angesagt. Da Paul zur
Arbeit musste, verabschiedete er sich schnell. Nach dem Frühstück mussten wir
uns auch von Carmen und Shelley verabschieden. Das war sehr traurig. Ryan und
India brachten uns zum Flughafen. Als wir dort mit einem dicken Kloß im Hals
ankamen, warteten als Überraschung Della und ihre Tochter auf uns. Nora hat
noch ein kleines Abschiedsgeschenk von ihrer Freundin überreicht bekommen.
Della wollte später India mit zu sich nehmen.
Nun musste sich leider Ryan verabschieden. Das war noch
einmal sehr sehr schwer. Ich weinte. Etwa 15 Minuten später stand auch die
Verabschiedung von Della, von ihrer Tochter und von India an.
Es war hart, sehr hart.
Am liebsten wäre ich dort geblieben oder hätte einfach alle
in meinen Koffer gepackt und mitgenommen.
Soooo viele liebe Menschen auf einen Haufen trifft man sehr
selten im Leben.
Es sind nicht nur Carmen, Paul, Shelley, Ryan, Leonie und
India... Es ist meine kleine große verrückte Waliser Familie. Ich liebe sie
alle. Und ich freue mich darauf, sie wiederzusehen.
Danke für alles!!! Es war eine so tolle Zeit.